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Haushaltsausschuss: Deutschland plant groß, aber nicht groß genug

Der Haushaltsausschuss des Bundestages berät über die fiskalische Zukunft des Landes. Surplus-Redakteur Patrick Kaczmarczyk ist als Sachverständiger dabei und erklärt, welche Reformen es braucht.

3 Minuten Lesedauer
Die Empfehlung des Haushaltsausschuss wird auch Friedrich Merz und Lars Klingbeil beeinflussen. Credit: IMAGO / Panama Pictures

Deutschland will modernisieren. Mit dem geplanten Sondervermögen »Infrastruktur und Klimaneutralität« startete die Bundesregierung eine der größten Investitionsinitiativen der jüngeren Geschichte. Nach Jahrzehnten der Vernachlässigung von Straßen, Schienen, Schulen und Stromnetzen ist das überfällig. Sehr spät drang die Erkenntnis zu den Konservativen durch, dass diese gewaltigen Rückstände eine Investitionsoffensive brauchen. Doch so begrüßenswert der Schritt ist: Er bleibt hinter den eigenen Ansprüchen zurück.  Die historische Chance für eine nachhaltige Transformation des deutschen Wirtschaftsmodells könnte verpasst werden.

Der Investitionsstau ist dramatisch

Zunächst zu den Fakten: Seit mehr als zwei Jahrzehnten investieren Staat und Kommunen kaum mehr als das Nötigste, um den Kapitalstock zu erhalten. Der Modernitätsgrad der öffentlichen Infrastruktur ist seit Mitte der 1990er-Jahre dramatisch gesunken. Deutschland lebt von der Substanz – und rätselt gleichzeitig über die Ursachen von schwächelnder Produktivitätsentwicklung, steigender Arbeitslosigkeit und einer lahmen Konjunktur.

Das Sondervermögen soll in den kommenden zwölf Jahren 500 Milliarden Euro mobilisieren – rund 42 Milliarden jährlich. Klingt viel. Doch Studien schätzen den zusätzlichen Bedarf öffentlicher Investitionen auf mindestens 60 Milliarden Euro pro Jahr – und das bei konservativen Annahmen. Investitionsprojekte, die enorme Summen verschlingen werden, wie beispielsweise der Netzausbau, sind in den Schätzungen aufgrund von Unsicherheiten oder statistischen Definitionen nicht enthalten (der Netzausbau etwa wird der Privatwirtschaft zugeschrieben).  

Hinzu kommt: Selbst mit den »Rekordinvestitionen« wäre Deutschland keineswegs Spitzenreiter im internationalen Vergleich. Sollten die 42,5 Milliarden vollständig als zusätzliche Bruttoanlageinvestitionen abfließen, stiege der Anteil der öffentlichen Investitionen von 2,9 Prozent (2024) auf 3,9 Prozent. Der EU-Durchschnitt beträgt 3,6 Prozent (Eurostat, 2025). Länder wie Frankreich (4,3 Prozent in 2023), Polen (5 Prozent in 2023) oder Schweden (5,5 Prozent in 2024) investieren seit Jahren deutlich mehr, was sich in einer höheren Modernität der Infrastrukturen niederschlägt.

Strukturelle Schwächen drohen das Projekt zu entwerten

Nicht nur die Höhe der Mittel ist das Problem, sondern auch ihre Verwendung. Der Gesetzentwurf bleibt vage, wenn es um die Finanzierungsstruktur geht. Gerade bei regulierten Monopolen wie Stromnetzen oder Verkehrsinfrastruktur entscheidet diese über Erfolg oder Misserfolg. In Verbindung mit den Finanzierungsüberlegungen aus dem Koalitionsvertrag, die eine Einbeziehung des privaten Kapitals bei Infrastrukturinvestitionen absehen, zielt der Gesetzentwurf auf eine höchst ineffiziente und gesamtwirtschaftlich schädigende Konstellation ab: Gewinne werden privatisiert, mögliche Verluste sozialisiert. 

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Patrick Kaczmarczyk

Dr. Patrick Kaczmarczyk ist Ökonom an der Universität Mannheim und Redakteur bei Surplus. Zuletzt war er Leiter für volkswirtschaftliche Grundsatzfragen beim Wirtschaftsforum der SPD und UNO-Berater.

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