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Das Wirtschaftsmagazin

Resch: »Es ist unsere Aufgabe, den Raubtierlobbyismus zu enttarnen«

Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH) beklagt im Interview die Lobbymacht der fossilen Industrie. Kämpfen will er trotzdem weiter.

5 Minuten Lesedauer

Seit 37 Jahren ist Jürgen Resch Geschäftsführer der DUH. Credit: IMAGO/epd

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ist in diesem Jahr 50 Jahre alt geworden. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch spricht im Interview über Diesel-Klagen, die Lobbymacht der Autoindustrie und fossiler Großkonzerne, und warum er sich von Kritik nicht beirren lässt.

Herr Resch, am Tag nach der Bundestagswahl hat Friedrich Merz die Ampel-Regierung aufgefordert, 551 Fragen zur »politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen« zu beantworten. Nun ist Merz Kanzler, und zu den 17 genannten NGOs zählte auch die Deutsche Umwelthilfe. Wie bewerten Sie die Anfrage heute?

Das war natürlich ein Riesen-Rohrkrepierer. Die Antworten waren ja bekannt, und die Verbände haben auch aufgezeigt, wo die Informationen zuvor schon veröffentlicht waren. Das Ganze hat aber einen ernsten Hintergrund: Es ging bei der Anfrage ausschließlich um die Diskreditierung und Einschüchterung von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Das ist ein Paradigmenwechsel, den wir hier erleben, nämlich einen Rechtsruck auch innerhalb der demokratischen Parteien CDU/CSU. Sie imitieren die AfD. Es bringt ihnen aber nichts. 

Zum Thema Politik und Lobbyarbeit: Der gleiche Friedrich Merz hat mit Katherina Reiche eine Energiemanagerin zur Ministerin gemacht, die den Verdacht nicht loswird, im neuen Amt die kommerziellen Ziele der Gasindustrie weiterzuverfolgen. 

Ja, und wir stellen fest, dass von den 500 Milliarden Euro Sonderschulden – nicht Sondervermögen! – 100 Milliarden Sonderschulden zwar für den Klimaschutz verwendet werden sollen. Hört sich erst einmal gut an. Was wird aber daraus finanziert: in Milliardenhöhe eine Vergünstigung von Erdgas, indem man das Gebäudeenergiegesetz abschaffen oder abschwächen will. Gleichzeitig gesteht Frau Reiche eine im Koalitionsvertrag – auch für Privathaushalte – vorgesehene Senkung der Stromsteuer nur Unternehmen zu, die besonders viel Energie verbrauchen.  

Für Sie ist das sicher nicht neu: Der Gesetzgeber folgt dem Für und Wider der Industrie, weniger dem Allgemeinwohl. 

Ja, wir erleben an allen Stellen, wie in der Bundesregierung relativ unverblümt die großen Konzerne den Politikern die Hand führen. Man argumentiert mit Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen und setzt die Interessen von Wenigen gegen übergeordnete Klimaziele durch. Die Beschäftigten im Braunkohlebergbau werden in den Mittelpunkt gerückt, man verschweigt aber die wesentlich größeren Verluste, die wir etwa in der Solarindustrie hatten. Fossile Strukturen werden gefestigt – beispielsweise dadurch, dass die Ampelregierung hunderte Millionen in Ölpipelines für die ehemalige russische und nun faktisch bundeseigene Ölraffinerie Schwedt in Brandenburg investiert hat. Und gleichzeitig wird beantragt, zukünftig doppelt so hohe Schadstoffmengen auszustoßen. Auf der anderen Seite verhindert der Staat den Rollout von Smart Metern durch absurde formale Vorschriften, nur um den Übertragungsnetzbetreibern und den großen Energieversorgern weiterhin übergroße Gewinnmitnahmen zu ermöglichen. Frau Reiche boykottiert damit die Voraussetzung für nachfrageorientiertes Verbraucherverhalten. Schweden, Dänemark, Finnland, Spanien, Italien – andere EU-Staaten ermöglichen ihren mündigen Bürgern mit 98 bis 100 Prozent Smart Meter eine Anpassung des Stromverbrauchs an die viertelstündlich wechselnden Kosten. In Deutschland sind gerade zwei Prozent der Messstellen mit einem Smart Meter ausgestattet. Das ist schön für die fossile Industrie: So lassen sich viele zusätzliche Gaskraftwerke begründen. 

Ihre Beispiele zeigen den aktuellen fossilen Rollback. Was steht dem entgegen? Wenn wir uns das Machtdreieck zwischen Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft ansehen: Wer sitzt am längeren Hebel? 

Wir haben im Moment ein Unentschieden, würde ich sagen. Wir haben eine geschwächte kritische Berichterstattung, dadurch dass es immer weniger Journalisten gibt, die investigativ arbeiten. Es gibt nicht mehr den Knall, den vor 25 Jahren eine Vorabveröffentlichung des Spiegels verursacht hat und die ganze Woche anschließend diskutiert wurde. Aber ich bin froh, dass wir bei uns noch besser dastehen als Ungarn oder die USA. Noch haben wir eine starke Zivilgesellschaft, die aber zunehmend unter Druck gesetzt wird. Die dritte Institution, die noch funktioniert, sind die Gerichte. Im nächsten Jahr beschäftigen sich alle drei Obergerichte mit Grundsatzklagen der DUH zum Klimaschutz – das Bundesverfassungsgericht, das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesgerichtshof. Bei letzterem geht es um zwei Klagen gegen BMW und Mercedes auf vorzeitiges Verbrenner-Aus. Denn diese beiden haben jeweils ebenso viele Klimagas-Emissionen zu verantworten wie ein mittelgroßer EU-Staat, zum Beispiel Portugal. Haben diese Konzerne nicht auch eine Verpflichtung zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels aus dem Pariser Klimagipfel 2015? Bemerkenswert ist: Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat nach Ablehnung der Oberlandesgerichte unsere Revision im Sommer ausdrücklich zugelassen.

Liegt die Hoffnung also »nur« auf dem Funktionieren der Gewaltenteilung? Wir wissen, dass auch die Judikative in vielen Ländern unter Druck gesetzt wird.

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Benedikt Brüne

Benedikt Brüne lebt in Konstanz und arbeitet als freier Journalist und Lektor mit Fokus auf Themen der Nachhaltigkeit und Energiewende.

Jürgen Resch

Jürgen Resch ist seit 1988 Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

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