Markus Marterbauer war Chefökonom der österreichischen Arbeiterkammer und ist nun Finanzminister in Österreich. Im Interview erklärt er, wie er trotz Kürzungen Vertrauen zurückgewinnen will.
Lukas Scholle: Sie sind ein fortschrittlicher Ökonom und gleichzeitig Finanzminister in einem Land mit in einer Schuldenkrise light – werden Sie der deutschsprachige Yanis Varoufakis?
Markus Marterbauer: Nein (lacht). Ich bin grundsätzlich kein großer Freund von Vergleichen mit ehemaligen oder aktuellen Politikern. Varoufakis würde wohl einiges viel radikaler angehen als ich und zum anderen ist er schlussendlich gescheitert. Unsere Politik hingegen wird erfolgreich sein. Wir haben tatsächlich das Problem, dass die Ausgangssituation im Budget verheerend ist. Ohne Sanierungsmaßnahmen hätten wir in diesem Jahr ein Budgetdefizit von 5,8 Prozent des BIP gehabt. Das ist auch der Grund dafür, warum wir trotz des falschen Zeitpunkts, nämlich in einer schlechten wirtschaftlichen Lage, jetzt das Sanierungspaket machen.
Das Risiko ist zu hoch, dass wir gerade bei diesen notorisch instabilen Finanzmärkten in Schwierigkeiten kommen. Insbesondere deshalb, weil die Prognosen auch gesagt hätten, dass das Defizit in den nächsten Jahren nicht zurückgegangen wäre. Wir haben sehr viel Rücksicht darauf genommen, dass das jetzt möglichst konjunktur- und beschäftigungsschonend wird. Die negativen Multiplikator-Effekte sollten eher gering sein.
Wie ist Österreich in diese Situation gekommen?
Das sind im Wesentlichen zwei Gründe, die miteinander zusammenhängen. Die schlechte Wirtschaftslage ist der Hauptgrund. Wir sind das dritte Jahr in der Rezession. Das bedeutet, wir haben weniger Einnahmen bei den Sozialbeiträgen, bei der Lohnsteuer, Einkommensteuer, Gewinnsteuern, bei den Verbrauchssteuern. Gleichzeitig haben wir mit steigender Arbeitslosigkeit höhere Kosten. Da muss man sich natürlich fragen: Warum haben wir so eine schlechte Wirtschaftsentwicklung – auch im europäischen Vergleich? Das ist sicher der Politik der Vergangenheit geschuldet. Ich möchte das an der jüngsten Teuerungskrise im Vergleich zum Energiepreisschock der 1970er Jahre zeigen: Damals haben wir in Österreich umfassende Preisregulierung gehabt.
Sie hat dazu geführt, dass die Inflation relativ niedrig war. Jetzt haben wir eine der höchsten Inflationsraten, weil man nicht in Preise eingegriffen hat. Die letzte Regierung hat versucht, die hohe Inflation auszugleichen, indem Subventionen und Transfers massiv ausgeweitet wurden. Dadurch hat man einerseits die Teuerung nicht in den Griff bekommen, und gleichzeitig das Budget in »troubles« gebracht. Ähnliche Phänomene gab es während der Coronakrise und in der Klimapolitik: Zu umfangreiche Förderungen, aber viel zu wenig Regulierungen, Eingriffe und Vorschriften. Gleichzeitig wurden die Gewinnsteuern gesenkt, die Lohnnebenkosten gesenkt, die kalte Progression verhindert. Das alles ohne Gegenfinanzierung. Das Ergebnis ist die Budgetmisere.
Mit welcher Finanzpolitik wollen Sie Österreich wieder auf Kurs bringen?
Das Problem ist, dass wir relativ kurzfristig kürzen müssen, weil wir erst seit Anfang März regieren. Ich habe das Budget am 13. Mai im Parlament vorgestellt. Der Großteil der Maßnahmen tritt mit dem 1. Juli in Kraft. Wir brauchen aber dieses Jahr noch Ergebnisse. Das heißt, es gibt in einem ersten Schritt relativ grobe Kürzungen und Steuererhöhungen. Gleichzeitig wollen wir ein mittelfristiges Programm umsetzen, wo es um Strukturreformen geht. Die Budgetsanierung besteht zu rund einem Drittel aus diversen steuerlichen Maßnahmen: etwa aus höheren Gewinnsteuern auf Banken und Energiekonzerne, einer teilweisen Rückabwicklung des Ausgleichs der kalten Progression, einer höheren Tabaksteuer, einer Umwidmungsabgabe oder dem Schließen von Steuerschlupflöchern bei Share Deals.