zum Inhalt
Das Wirtschaftsmagazin

Der größte Hebel – für bessere Integration

Ein Migrationsministerium würde Deutschland zu einem modernen Einwanderungsland machen. Dafür braucht es auch nachhaltige Sozialpolitik.

1 Minute Lesedauer

Foto: IMAGO / Steinsiek.ch

Deutschland braucht endlich ein Migrationsministerium – auch aus wirtschaftlichen Gründen. Derzeit sind Migrationsfragen auf zahlreiche Ministerien verteilt. Diese Zersplitterung führt zu ineffizienten und unkoordinierten Entscheidungen.

Ein Migrationsministerium sollte die Kompetenzen bündeln und für eine kohärente Migrationspolitik sorgen. Es würde eine Brücke zwischen gesellschaftlicher Integration, demografischen Notwendigkeiten und den damit einhergehenden Arbeitsmarktbedarfen schaffen. Das Ministerium könnte dafür sorgen, dass genügend Wohnraum und offene Stellen für migrierte Menschen zur Verfügung stehen. Neben der institutionellen Reform ist ein strategischer Ansatz unerlässlich. Deutschland benötigt klare Planungsziele und Zuwanderungsprojektionen. Kanada setzt hier Maßstäbe: Mit seinem jährlichen »Immigration Level Plan« legt es für jeweils drei Jahre konkrete Zuwanderungsziele fest, die Planungssicherheit für Verwaltung und die Zivilgesellschaft schaffen. Deutschland sollte eine ähnliche evidenzbasierte Politik verfolgen und diese Ziele in enger Zusammenarbeit mit Bund, Ländern, Arbeitgeberverbänden und zivilgesellschaftlichen Akteuren formulieren.

Demografische Szenarien und wissenschaftliche Simulationen müssen dabei in die Politikgestaltung einfließen, um Migration nicht immer nur als vollendete Tatsache zu mismanagen, sondern »atmende Grenzen« zu entwickeln, die nach Bedarf Migration regulieren können. Wissen Einwanderungswillige, dass das Kontingent für ein Jahr ausgeschöpft ist, könnten sie auf der Liste bleiben, bis sie in der nächsten Entscheidungsrunde berücksichtigt werden. Modelle zirkulärer Migration, die flexible Bewegungen zwischen Herkunfts- und Aufnahmeländern ermöglichen, senken den Einwanderungsdruck. All das will koordiniert werden dafür braucht es das Ministerium. Da Deutschland bis 2035 unter anderem 500.000 Pflegekräfte und 85.000 Lehrkräfte benötigt und außerdem noch 60 Prozent des öffentlichen Dienstes in Rente gehen, wird Migration als langfristiger Bestandteil der Gesellschaft gedacht werden müssen – es sei denn, man plant, Deutschland abzuschaffen. Allerdings darf Migration nicht allein auf Arbeitskräftebeschaffung reduziert werden. Eine nachhaltige Migrationspolitik muss daher mit einer humanitären Flüchtlingspolitik und einer nachhaltigen Sozialpolitik verbunden werden, die auch die etablierte Bevölkerung in ihren Sozialbedarfen adressiert. Das Migrationsministerium müsste daher ein Leitbild für ein modernes Einwanderungsland entwickeln, das von einem postmigrantischen Versprechen der Gleichheit getragen wird.

Naika Foroutan

Naika Foroutan ist Professorin für Integrationsforschung und Gesellschaftspolitik an der Humboldt-Universität Berlin sowie Direktorin des Deutschen Zentrums für Integrations und Migrationsforschung.

#5 – Die Ökonomie des Überlebens

Mit dem Klimakollaps droht eine Verwüstung des Planeten. Nur ein anderes Wirtschaften kann ihn aufhalten.

Zum Magazin