Das Rentenpaket der Bundesregierung hat gute Chancen auf Umsetzung – trotz Widerstand seitens der Jungen Union. Damit ist das Rentenniveau für die nächsten Jahre gesichert. Allerdings bleibt es sehr niedrig und wird nach 2031 vielleicht weiter gesenkt. Als Ausgleich wird den Leuten die Altersvorsorge über den Kapitalmarkt anempfohlen. Ob das die erhofften Renditen einspielt, ist zwar offen. Profiteure wären aber auf jeden Fall jene, die man »die Wirtschaft« nennt. Ihnen soll eine ergiebige Finanzierungsquelle eröffnet werden.
Laut Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ist der deutsche Sozialstaat »nicht mehr finanzierbar«, laut Arbeitgeberverband ist er sogar »quasi insolvent«. Insbesondere die gesetzliche Rente gilt als Problemfall. Liberale und Konservative kündigen daher weitere Leistungskürzungen an, die derzeit noch an den politischen Machtverhältnissen scheitern, in Deutschland wie in Frankreich. Als Ausgleich bietet man der Bevölkerung die »private« Vorsorge per Geldanlage auf den Kapitalmärkten an. Aktien und festverzinsliche Papiere sollen per Dividenden, Zinserträgen und Kursgewinnen die Lücken stopfen, die die Politik in die gesetzliche Rente reißt.
Die Unwägbarkeiten des Kapitalmarktes
Dabei gibt es jedoch einige Haken. So muss man damit rechnen, dass die Rendite und damit das für die ältere Bevölkerung zur Verfügung stehende Vermögen nicht so groß ausfallen werden wie erhofft, erklärt der Wirtschaftsweise Achim Truger bei Surplus. Denn die Renditeprognosen basieren auf Renditen der Vergangenheit, die in die Zukunft verlängert werden. Das könnte allerdings deutlich zu optimistisch sein. Zudem besteht die Gefahr, dass Finanzkrisen die angesparten Vermögen zur Unzeit dezimieren – ein Risiko, das durch die geopolitischen Spannungen zugenommen hat, so der jüngste Global Financial Stability Report des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Und drittens schließlich stellt sich die Frage: Selbst wenn die starken Renditen erzielt werden und die deutschen Vorsorgesparer dann in einigen Jahrzehnten über riesige Geldvermögen verfügen – wird es dann auch die entsprechende Wirtschaftsleistung geben? Vermögen sind nur Rechtsansprüche. Die Realität muss zeigen, was sie wert sind.
Europas Kapitalmarkt: zu klein
Das sind die Risiken der Vorsorgesparer. Für die Unternehmen dagegen hat es einige unschätzbare Vorteile, wenn die Bevölkerung ihr Geld an die Börse trägt. Denn erstens müssen sich – anders als bei der gesetzlichen Rente – die Arbeitgeber an diesen Altersvorsorgeaufwendungen nicht beteiligen, die Beschäftigten tragen sie allein, es ist ihre »private« Vorsorge. Und zweitens fließen die Vorsorgemilliarden den Unternehmen über den Kapitalmarkt zu und dienen dort als ihre Wachstumsressource.
Die Ausweitung dieser Ressource steht derzeit weit oben auf der politischen Agenda in Europa. Schließlich hat der Draghi-Report zur Wettbewerbsfähigkeit Europas einen Bedarf an zusätzlichen Investitionen von 800 Milliarden Euro pro Jahr bis 2030 ausgemacht – für Aufrüstung, für die Transformation des Energiesystems, für digitale und »disruptive« Technologien, die Europa wettbewerbsfähiger und autonomer machen sollen. Einen Teil dieses Geldes liefert der Staat. »Es ist jedoch klar, dass der Großteil der zusätzlichen Investitionen aus dem privaten Sektor kommen muss«, schreiben die Ökonomen Judith Arnal und Apostolos Thomadakis für die Fachzeitschrift in Intereconomics. Vor diesem Hintergrund gewinne die »Wiederbelebung« des Finanzsektors der EU zunehmend an Bedeutung.
Dem europäischen Finanzsektor wird derzeit vor allem ein Mangel attestiert: Er ist zu klein. Die Marktkapitalisierung der Banken ist zu gering, ebenso die Anzahl der Börsengänge und das Volumen von Aktien- und Rentenmärkten. Zu klein ist der EU-Finanzmarkt gemessen an dem der USA, die den Weltkapitalmarkt dominieren.
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