Gesundheitliche Probleme bleiben die häufigste Ursache für Überschuldung in Deutschland. Das geht aus dem Überschuldungsreport 2025 des Instituts für Finanzdienstleistungen (IFF) hervor. Mit 17,6 Prozent beruhten die meisten Fälle auf gesundheitlichen Problemen. Arbeitslosigkeit oder reduzierte Erwerbsarbeit sei in 15,3 Prozent der Fälle der Auslöser, heißt es in der Studie, die auf Daten von 120 Schuldnerberatungsstellen basiert. Dahinter folgen Scheidung oder Trennung mit 9,1 Prozent.
Die Analyse von mehr als 213.000 Haushalten mache der Studie zufolge deutlich, dass Überschuldung selten durch individuelles Fehlverhalten entsteht, sondern überwiegend durch Lebenskrisen wie Krankheit, Trennung oder Arbeitslosigkeit. Hinzu kämen steigende Wohnkosten, Einkommensarmut und gescheiterte Selbstständigkeit, die Menschen finanziell schnell an ihre Grenzen bringen.
Kritik am Gesundheitssystem
Die Autorinnen und Autoren legen in der Studie einen besonderen Fokus auf das Thema Gesundheit. Sie merken an, dass über die Krankenkassenbeiträge hinaus für Patientinnen und Patienten viele Gebühren für zum Beispiel Rezepte, aber auch für sogenannte »Individuelle Gesundheitsleistungen« (IGeL), die nicht zum Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung gehören, fällig werden.
Demnach müssten besonders »schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen« stärker beachtet werden, »da sie sowohl strukturellen Benachteiligungen als auch individuellen Einschränkungen ausgesetzt sein können«. Bei der Finanzierung des Gesundheitssystems müsse stets hinterfragt werden, ob finanziell schwächere Menschen bei der Versorgung gleichbehandelt werden und ob Chancengerechtigkeit herrscht.
Die Analyse im Bericht zeigt, dass das nicht vollständig gegeben ist. Beispielsweise haben Menschen in Deutschland mit niedrigem sozioökonomischem Status ein zwei- bis dreimal so hohes Risiko, an Krankheiten wie zum Beispiel Diabetes mellitus zu erkranken, wie die Autorinnen und Autoren schreiben. Diese Bevölkerungsgruppe schätze ihre Gesundheit zudem in Befragungen signifikant schlechter ein als bessergestellte Gruppen. Die »sozial-gesundheitliche Ungleichheit« äußere sich auch in der durchschnittlichen Lebenserwartung: Frauen der höchsten Einkommensgruppe haben eine um 4,4 Jahre höhere Lebenserwartung als die der niedrigsten, bei Männern beträgt der Unterschied sogar 8,6 Jahre, zitiert der Bericht aus einer repräsentativen Langzeitstudie des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Diese Ungleichheit habe sich demnach über die vergangenen 25 Jahre kaum verändert.
Schlechte Absicherung bei Krankheit als Weg in die Verschuldung
Wie Menschen bei Krankheit in die Schuldenfalle geraten können, skizzieren die Studienautorinnen- und -autoren exemplarisch. In einem solchen Verlauf erfahren Menschen mit einem durchschnittlichen Vollzeitjob-Gehalt von 4.480 Euro nach einer sechswöchigen Krankschreibung zunächst Krankengeld in Höhe von 70 Prozent des Bruttogehaltes. Nach spätestens 78 Wochen jedoch sinkt das verfügbare Einkommen der Betroffenen rapide, weil sie dann in die Erwerbsminderungsrente oder das Bürgergeld fallen. Privatversicherte würden demnach häufig bereits ab dem ersten Krankheitstag Einkommensverluste erleiden. Finanziell belastend käme hinzu, dass Fixkosten in den meisten Fällen weiterlaufen. So machen die Autorinnen und Autoren darauf aufmerksam, dass es in Deutschland keine allgemeine gesetzliche Regelung gebe, nach der Menschen bei »krankheitsbedingtem Einkommensausfall automatisch von laufenden Kredit- oder anderen Ausgabenverpflichtungen (wie Vertragszahlungen z. B. für Miete, Versicherungen, Abonnements) befreit« würden.

Das Problem von Privatpersonen, die sich im Zusammenhang mit Krankheit überschulden, sei dem Bericht zufolge mindestens seit 2007 bekannt. Zu dem Zeitpunkt lieferte eine quantitative Befragungsstudie in Rheinland-Pfalz erste Erkenntnisse. Chronische Krankheiten sowie das Auslassen eines Arztbesuches seien bereits in dieser Studie als Problem erkannt worden – »mit verursacht durch die damals noch existierende 10-Euro-Praxisgebühr«, wie es in der Überschuldungsstudie heißt. Krankheit führe demzufolge oft in die Überschuldung, und die Überschuldung in die Krankheit: Menschen würden sich aufgrund von Armut schlechter ernähren und aus der Gesellschaft zurückziehen.
Weiter habe eine Befragungsstudie von 2017 unter den Klientinnen und Klienten von Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Nordrhein-Westfalen dazu passende Ergebnisse geliefert. So bewerteten 59 Prozent der Teilnehmenden ihren allgemeinen Gesundheitszustand als mäßig bis sehr schlecht und 60 Prozent – deutlich mehr als in der Allgemeinbevölkerung – litten an einer chronischen Erkrankung. Zugleich habe fast ein Viertel der Befragten ärztliche Rezepte nicht eingelöst und über 12 Prozent die Dosis aus Kostengründen auf eigene Faust reduziert. Zudem habe sich jede fünfte Frau die gewünschte Verhütungsmethode und ein Drittel aller Befragten eine passende Brille nicht leisten können. Auf notwendige Zahnbehandlungen verzichtete fast die Hälfte, schreiben die Autorinnen und Autoren der Überschuldungsstudie. Insgesamt habe über die Hälfte Schulden bei ihrer Krankenkasse gehabt.
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