Die Pausenlosigkeit von Fürsorgeverantwortung versetzt viele in einen Funktionsmodus, den zu verlassen oft keine Option ist. Das Kind weniger füttern, den Opa weniger pflegen oder den Katheter einfach mal nicht leeren, kommt schlicht nicht infrage. Gleichzeitig sind die Menschen, die Politik machen, maximal weit von aktiver Sorgeverantwortung entfernt. Denn die ist mit einer politischen Karriere kaum – und da ist das Wort – vereinbar. Und so verkennen auch Debatten über Vereinbarkeit und die Frage nach dem, was man so »leisten« sollte, dass Menschen mit Sorgeverantwortung oft mehr arbeiten als Minister mit 80-Stunden-Wochen.
In Deutschland werden jährlich rund 117 Milliarden Stunden unbezahlte Sorgearbeit geleistet – fast doppelt so viel wie die gesamte Erwerbsarbeit. Den größten Anteil daran tragen Frauen mit etwa 72 Milliarden Stunden. Würde diese Arbeit bezahlt, hätte sie einen ökonomischen Wert von 1,2 Billionen Euro, was etwa einem Drittel des deutschen Bruttoinlandsprodukts entspricht. Diese unbezahlte Leistung stellt damit die größte inoffizielle Subvention der deutschen Wirtschaft dar. Der gesellschaftliche Nutzen ist enorm, die Kosten aber tragen fast vollständig die Sorgearbeitenden – klassische Externalisierung.
Die ökonomischen Folgen für Betroffene sind enorm: Wer Fürsorgeverantwortung übernimmt, muss Einbußen bei Einkommen, Karrierechancen und Rente hinnehmen. Diese Benachteiligung resultiert nicht aus individuellen Entscheidungen, sondern ist systemisch bedingt: Politisch gesetzte Rahmenbedingungen stabilisieren tradierte Rollenbilder, auch wenn die Politikerinnen und Politiker rhetorisch Gleichstellung beschwören.
Ein zentraler Indikator für die Ungleichheit bei der Sorgearbeit ist der Gender Care Gap, der in Deutschland laut dem Familienministerium im Jahr 2024 bei 44,3 Prozent lag. Besonders groß ist die Ungleichverteilung bei Eltern kleiner Kinder: Mütter mit Kindern unter sechs Jahren übernahmen 2022 laut Statistischem Bundesamt durchschnittlich 6,8 Stunden Sorgearbeit täglich, Väter nur 3,3 Stunden. Hinzu kommt die sogenannte Mental Load, die Belastung durch das Management des Familienlebens: an Geburtstage denken und Geschenke aussuchen, Einkaufslisten schreiben und Speisepläne erdenken, Unverträglichkeiten und Vorlieben beachten, Medikamente rechtzeitig geben, Schultaschen und Koffer vollständig packen, Termine koordinieren, ärztliche Besuche organisieren, sich in Erziehungs- oder Krankheitsthemen weiterbilden, Medienkonsum begleiten, Gespräche führen, trösten. Der Hans-Böckler-Stiftung zufolge liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sie diese kognitive Arbeit leisten, für Frauen bei 62 Prozent, für Männer bei 20 Prozent.