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Feiertage streichen? Ein neuer Frontalangriff auf Arbeitende

Lohnabhängige sollen mehr arbeiten, fordern Ökonomen und Politiker. So sollen Arbeitskosten für Unternehmen niedrig bleiben.

3 Minuten Lesedauer
Feiertage sind zur Erholung da. Credit: IMAGO/Funke Foto Services

Die Elite aus Politik und Wirtschaft ist unzufrieden mit der Bevölkerung. Sie arbeite zu wenig, heißt es. Daher ertönt aus immer mehr Ecken der Vorschlag, Feiertage zu streichen nach dem simplen Motto: mehr Arbeit – mehr Wirtschaftsleistung! Doch so einfach ist die Sache nicht. Was sich präsentiert als Strategie für mehr Wirtschaftswachstum, ist in der Sache eher ein Umerziehungs- und Ertüchtigungsprogramm für die Bevölkerung – die arbeitende selbstverständlich.

Diese Woche war der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) an der Reihe: Der Pfingstmontag soll als Feiertag gestrichen werden, sagte Peter Adrian der Bild am Sonntag. »Unsere Arbeitsproduktivität stagniert. Im OECD-Vergleich arbeiten Beschäftigte in Deutschland im Schnitt 1350 Stunden im Jahr – der Durchschnitt liegt bei 1750. Das ist ein Delta von 400 Stunden.« Dieses »Pfingstmontags-Delta« wollten Arbeitgeberverbände bereits im Jahr 2005 erobern. Das scheiterte aber am Widerstand von Gewerkschaften, Kirchen und Parteien – nur die FDP war dafür.

»Mehr und effizienter arbeiten«

Doch jetzt wittert man eine neue Chance. Denn das Thema hat Konjunktur. Clemens Fuest, Chef des Ifo-Instituts, wirbt für die Streichung eines Feiertages. Sein Kollege Moritz Schularick vom Institut für Weltwirtschaft will sogar auf zwei Feiertage verzichten. 

Die Vorschläge sind Teil einer umfassenderen Kampagne, die die Politik vorantreibt. »Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten«, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz. Damit die Menschen der Aufforderung von Politik und Unternehmen nachkommen, wird an vielen Stellschrauben gedreht: Der Acht-Stunden-Tag soll zugunsten einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit abgeschafft werden. Ältere Menschen sollen mehr arbeiten, insbesondere teilzeitarbeitenden Müttern wird der Weg in die Vollzeit geebnet und damit die Doppelbelastung von Beruf und Familie erträglicher gemacht. 

Zudem sollen per Bürgergeldreform Arbeitslose in den Arbeitsmarkt gedrückt werden, zum Beispiel durch schärfere Sanktionen und Leistungskürzungen. »Es geht ungerecht zu«, sagte CDU-Chef Carsten Linnemann, »es gibt Menschen, die sich im Bürgergeld ausruhen.« Und auch Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) verspricht »Gerechtigkeit für alle, die hart arbeiten, aber sich nicht alles leisten können.«

Was bringt mehr Arbeit wirklich?

In ihrer Gesamtheit arbeiten die in Deutschland lebenden Menschen zwar nicht weniger als früher. Aber eben auch nicht mehr, wie es die Unternehmen gerne hätten. Die »Arbeitsstunden je Einwohner im Erwerbsalter stagnieren«, klagt das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW), laut dem das Streichen eines Feiertages die Wirtschaftsleistung Deutschlands um fünf bis 8,6 Milliarden Euro erhöhen würde. 

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Stephan Kaufmann

Stephan Kaufmann ist Wirtschaftsjournalist, verfasste einige Bücher und schreibt heute unter anderem für nd.DieWoche, Frankfurter Rundschau, Freitag und Deutschlandfunk.

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