Als Anwältin für Betroffene von Partnerschaftsgewalt werde ich oft gefragt: »Warum trennen sich die Frauen nicht einfach? Warum gehen sie nicht?« Es ist eine Frage, die mich ärgert. Die Gründe für das Verharren in gewalttätigen Beziehungen sind vielschichtig und tief verwurzelt – und eine der zentralen Ursachen ist die wirtschaftliche Abhängigkeit.
Für viele Frauen, die Gewalt erfahren, ist der Gedanke an eine Trennung nicht nur von Angst und Verzweiflung geprägt, sondern vor allem von der Frage: »Wie soll ich es alleine schaffen?« Diese Frauen stehen nicht nur vor der Herausforderung, sich nach der Trennung vor weiterer körperlicher und seelischer Gewalt zu schützen, sondern auch vor einer existenziellen Bedrohung: Sie sind finanziell von ihren Partnern abhängig und wissen nicht, wie sie sich selbst und ihre Kinder allein ernähren sollen, ohne zu verarmen, wie sie es schaffen sollen, bezahlbaren Wohnraum zu finden. So wie meine Mandantin Maria, eine Mutter von zwei Kindern. Maria konnte sich erst nach mehreren Jahren und Anläufen endgültig trennen – nicht, weil sie ihren Partner nicht verlassen wollte, sondern weil sie wusste, dass sie ohne ihn weder eine Wohnung noch das nötige Geld für den Unterhalt ihrer Kinder hätte. Ihr Mann kontrollierte nicht nur ihre Finanzen, sondern auch ihre sozialen Kontakte und ihre beruflichen Möglichkeiten. Die Angst vor einem Leben in Armut und ohne jegliche Unterstützung hielt sie fest.
Der Fall von Maria ist kein Einzelfall. Für viele Frauen, die von Gewalt betroffen sind, sind die finanziellen Hürden, die einer Trennung im Wege stehen, überwältigend. Die wirtschaftlichen Benachteiligungen führen hunderttausendfach vor Augen, dass im Normalfall bei Trennung nur Armut droht. 42 Prozent der Alleinerziehenden in Deutschland sind von Armut betroffen. Frauen finden bei dem eskalierten Wohnungsmarkt keinen bezahlbaren Wohnraum mehr, arbeiten in prekären, ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen und am Ende eines Lebens voller Erwerbs- und Care-Arbeit warten Armutsrenten. Echter Gewaltschutz für die Zukunft bedeutet, den Zugang zu fairer Arbeit, sozialer Sicherheit und öffentlicher Versorgung zu gewährleisten. Gewaltbetroffene haben nicht nur das Recht, zu überleben, sondern auch das Recht auf ein Leben in Freiheit und Würde – und dafür sind Strukturen notwendig, die ihnen ein solches ermöglichen.
