Nachfragemachtmissbrauch kommt in der Wirtschaft in allen Branchen vor. Ganz extrem im hochkonzentrierten Handelssektor und hier insbesondere im Lebensmittelhandel. Dort hat ein enges Oligopol bestehend aus der Edeka-Gruppe, der Schwarz-Gruppe (unter anderem Lidl, Kaufland) und der Rewe-Gruppe (mit unter anderem Penny) sowie Aldi Nord & Süd das Sagen. Die Einkäufer der Händler können hier mit ihren Zulieferern so gut wie alles machen, was sie wollen. Als Händler sind sie mit ihrem großen Warenangebot »Könige der Diversifikation«. Nehmen sie einzelne Artikel aus ihrem Angebot heraus, so merken das ihre Kunden nicht einmal. Für die Zulieferer, die davon betroffen sind, ist dieses »Auslisten« aber existenzbedrohend. Aber auch so verlangen die mächtigen Händler, als sei es eine Selbstverständlichkeit, von ihren Zulieferern Leistungen, wie das Bestücken der Regale mit den gelieferten Waren und deren Preisauszeichnung, ständige Sonderrabatte, und Zahlungsziele, als wären die Zulieferer eine Bank für ihre Nachfrager.
In seiner Dissertation zeigte Richard Gerster 1973 eine Dogmengeschichte wirtschaftswissenschaftlicher Ausbeutungskonzeptionen auf. Dazu zählte er auch die Ausbeutung von Unternehmen auf ihren Beschaffungsmärkten durch einen monopsonistischen Machtmissbrauch. Mit meinem Kollegen Ralf-M. Marquardt habe ich 2008 ein Buch über Nachfragemacht in Deutschland vorgelegt. Hier werden ausführlich die Ursachen, Auswirkungen und wirtschaftspolitischen Handlungsoptionen dargelegt. Passiert ist seitdem aber nichts. Missbräuchliche Nachfragemacht wird zwar im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) seit der zweiten Novelle des GBWs 1973 sanktioniert, das Gesetz ist aber völlig funktionslos, da es keine Ankläger findet. Wie auch, wenn der vom marktmächtigen Nachfrager abhängige Zulieferer bei einer Anzeige beim Bundeskartellamt in Bonn, für immer aus dem Lieferantenverzeichnis des Nachfragers gestrichen wird? Und nicht nur der direkt betroffene Nachfrager sanktioniert den Zulieferer, sondern alle in der Branche strafen den anzeigenden Zulieferer ab. Das ganze Elend hat mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht einmal mehr Spurenelemente gemein.
