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Das Wirtschaftsmagazin

Die Machtkonzentration in der VWL schadet der Forschung

Ein neuer Betrugsskandal erschüttert die Wirtschaftswissenschaften. Wer diesen als das Fehlverhalten einer Einzelperson abtut, irrt.

6 Minuten Lesedauer
Wer Business in Harvard studiert hat, gehört zu einem exklusiven Kreis. Credit: IMAGO/ZUMA Press Wire

Beginnen wir mit einem kleinen Test. Fragen Sie eine Ökonomin, was in ihren Augen das Problem von Monopol- oder Oligopolmärkten ist. Sie würde Ihnen wahrscheinlich sagen, dass solche Märkte ineffizient sind, weniger Innovation hervorbringen und dass der Staat mit stärkerer Regulierung eingreifen sollte –  und dass er im Extremfall die Monopole zerschlagen muss. Dann fragen Sie sie, ob das auch für den Markt der ökonomischen Ideen und Debatten gilt. Sie würden vermutlich einen verständnislosen Blick ernten.

Dabei ist gerade in den Wirtschaftswissenschaften die Machtkonzentration eklatant. 2024 zeigte eine Studie, dass an den 96 wichtigsten Fakultäten der USA jede siebte VWL-Professur von einer Person besetzt war, die entweder in Harvard oder am MIT promoviert hatte. Mehr als 40 Prozent aller angestellten Ökonomen an diesen 96 Universitäten wurden an nur acht Universitäten ausgebildet – eine ziemlich exklusive Clique. 

Das überträgt sich unmittelbar in die Publikationspraxis. 2020 analysierte eine Arbeit mit dem sprechenden Titel »The Tyranny of the Top Five«, wie die fünf wichtigsten ökonomischen Fachzeitschriften einen unverhältnismäßig großen Einfluss darauf haben, wer eine Festanstellung oder eine angesehene Professur erhält. Um es in den Wirtschaftswissenschaften zu Ruhm zu schaffen, muss man in den Top Five veröffentlichen. Das liegt nicht daran, dass dort besonders innovative oder einflussreiche Forschung publiziert wird, sondern an einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Weil die Verantwortlichen an Elite-Universitäten besonderen Wert auf die Top Five legen, stellen sie eher Nachwuchsforschende ein, die dort veröffentlicht haben, und geben dem Nachwuchs damit Anreize, ihre Forschung so auszurichten, dass sie es in die Top Five schaffen. Die eigentliche Qualität der Arbeiten ist dabei nebensächlich.

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Daniel Stähr

Daniel Stähr ist Ökonom und freier Autor. Er promoviert zum Thema Narrative Economics. 2024 erschien sein erstes Buch »Die Sprache des Kapitalismus« bei S. Fischer.

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