Wegen Armut müssen 17,6 Prozent der Menschen in Deutschland auf wichtige Güter, Dienstleistungen oder Aktivitäten verzichten. Dieser Wert für 2024 geht aus dem neuen Armuts- und Reichtumsbericht hervor, den das Bundeskabinett in Berlin verabschiedet hat.
Weitere wichtige Ergebnisse aus dem mehr als 600 Seiten starken Bericht:
- Die Unterschiede bei Einkommen sind zwischen 2010 und 2020 gewachsen – denn die verfügbaren Haushaltseinkommen stiegen den Angaben zufolge zwar in allen Einkommensschichten, aber bei Gutverdienern mehr als bei Menschen mit geringerem Lohn oder Gehalt. Auch die Inflation traf Geringverdiener stärker.
- Bei Vermögen habe sich die Ungleichheit verringert, sie sei aber größer als bei den Einkommen, heißt es im Bericht. »Die zehn Prozent vermögendsten Haushalte besitzen 54 Prozent des gesamten Nettovermögens. 2010/11 waren es noch 59 Prozent. Die Haushalte in der unteren Hälfte der Verteilung besaßen dagegen nur etwa 3 Prozent des Gesamtvermögens.«
- Eine Befragung ergab laut Bericht, dass viele Menschen subjektiv das Ausmaß von Armut und Reichtum höher einschätzen, als dies nach üblichen statistischen Maßstäben ausgewiesen wird. Als arm gelten laut Statistik Haushalte mit einem Einkommen von etwa 1.300 Euro monatlich, Einkommensreichtum beginnt laut gängiger statistischer Abgrenzung bei etwa 4.300 Euro, wie es im Bericht heißt.
CDU sieht als Ausweg Arbeit
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Timon Dzienus nannte die Ergebnisse des Berichts schockierend. »Die ungleiche Vermögensverteilung in diesem Land ist Gift für unsere Gesellschaft.« Es sei nicht zu rechtfertigen, dass die reichsten zehn Prozent die Hälfte des Vermögens besäßen und die untere Hälfte »quasi nichts«, sagte Dzienus der Deutschen Presse-Agentur (dpa). »Armut ist kein Naturgesetz, sondern Folge politischer Entscheidungen.«
Die CDU-Politikerin Ottilie Klein wertete die Ergebnisse anders. Der Bericht zeige, dass Arbeit das beste Mittel sei, um Armut zu verhindern. »Statt Klassenkampf-Debatten brauchen wir eine starke Wirtschaft für mehr sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze«, sagte Klein der dpa. Das Investitions-Sofortprogramm sei ein wichtiger erster Schritt. »Auch die Bürgergeld-Reform wird dazu beitragen, mehr erwerbsfähige Menschen in Arbeit zu vermitteln.«
Kritik von Armutsforscher
In einem Kommentar bei Surplus kritisiert der Armutsforscher und Mitglied im Wissenschaftlichen Gutachtergremium für den Siebten Armuts- und Reichtumsbericht Christoph Butterwegge: »Leider nutzt die Bundesregierung ihren Bericht in erster Linie, um dem (Wahl-)Volk ihre Wirtschafts-, Finanz-, Steuer- und Sozialpolitik als Erfolgsgeschichte zu verkaufen, anstatt soziale Probleme aufzudecken und nach Erklärungen für gesellschaftliche Polarisierungstendenzen zu suchen, aus denen sich Konsequenzen für eine andere Regierungspraxis ableiten ließen.« Die Maßnahmen der Bundesregierung würden hingegen vor allem »Hyperreichen« dienen, nicht jedoch Menschen in Armut oder mit niedrigen Löhnen. Butterwegge resümiert: »Bezüglich der wachsenden Ungleichheit fehlt es nämlich keineswegs an statistischen Daten, sondern an politischen Taten.«
Quelle: mit dpa
