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Reichinnek: »Milliardäre sind eine Bedrohung für unsere Demokratie«

Heidi Reichinnek ist Spitzenkandidatin und Tiktok-Star der Linken. Warum Milliardäre die Demokratie bedrohen, erklärt sie im Interview.

3 Minuten Lesedauer
Heidi Reichinnek will Milliardäre abschaffen. Credit: IMAGO/Bernd Elmenthaler


Heidi Reichinnek ist zusammen mit Jan van Aken Spitzenkandidatin der Linken für die Bundestagswahl 2025. Mit ihren Kurzvideos auf TikTok und Instagram erreicht sie ein Millionenpublikum. Im Interview erklärt sie, wie sie Milliardäre abschaffen will.

Surplus: Die Linke will Milliardäre abschaffen, wieso?

Heidi Reichinnek: Jeder Milliardär stellt eine Bedrohung für unsere Demokratie dar – das hat Elon Musk eindrücklich unter Beweis gestellt. Auch in Deutschland existieren solche Machtstrukturen, sie treten nur weniger offen zutage. Theoretisch hätten sich auch deutsche Milliardäre zusammentun können, um Twitter zu kaufen und dann dort ihre Agenda zu pushen. Dass sie überhaupt über solche Mittel verfügen, zeigt, welche Gefahr sie für unsere Demokratie darstellen – und diese Gefahr müssen wir dringend beseitigen. Denn wenn Milliardäre ihre Macht ausspielen, wird aus der potenziellen Bedrohung schnell eine reale.

Ihre Macht beschränkt sich nicht nur auf die Gefährdung unseres politischen Systems. Tag für Tag missbrauchen sie ihren Einfluss, um Löhne zu drücken, Preise in die Höhe zu treiben und ihre Profite durch Investitionen abzusichern, die Menschen und Umwelt schaden. Ich denke da zum Beispiel an Lebensmittelspekulation, fossile Energie oder Rüstung.

Wie wollt ihr die Milliardäre konkret abschaffen? 

Wir haben ein klares Konzept, wie wir das Vermögen der deutschen Milliardäre innerhalb der nächsten zehn Jahre halbieren können – in fünf konkreten Schritten. Wir packen das Vermögen direkt an: Wir wollen die Vermögenssteuer wieder einführen und zusätzlich eine einmalige Vermögensabgabe erheben. Gleichzeitig setzen wir bei der Vermögensbildung an. Mit uns wird es keine eklatanten Schlupflöcher mehr bei der Erbschaftsteuer geben, wo ein großer Teil der Vermögen der heutigen Superreichen herstammt. Darüber hinaus wollen wir die Einkommensteuer für Millioneneinkommen deutlich erhöhen und dabei auch leistungslose Kapitalerträge mit einbeziehen.

Wie wollt ihr verhindern, dass die Milliardäre in ein anderes Land ziehen?

Die Vorstellung, dass Milliardäre einfach wegziehen, um sich der Besteuerung zu entziehen, ist ein Mythos, den vor allem die Lobbygruppen der Superreichen verbreiten. Das Gegenmittel dazu existiert bereits heute: die Wegzugsbesteuerung. Ein traumhaftes Wort, oder? Sie bedeutet, dass ein wegziehender Milliardär so besteuert wird, als hätte er seine Aktienpakete verkauft. Und die ließe sich auch durchaus noch verschärfen. 

Darüber hinaus könnte man die Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft knüpfen. Mit uns in der Regierung hätten Milliardäre zwei Optionen: Entweder sie verlieren einen Großteil ihres Vermögens auf einen Schlag, wenn sie auswandern. Oder sie zahlen ihre fairen Anteile über Jahre hinweg, wenn sie in Deutschland bleiben.

Auf der anderen Seite wollt ihr die große Mehrheit entlasten, was unterscheidet euch von den anderen Parteien?

Erstens meinen wir es ernst, und das zeigt sich schon am Umfang unserer Entlastungspläne. Unabhängige Forschungsinstitute haben bestätigt, dass unsere Vorschläge die große Mehrheit der Menschen am stärksten entlasten. Mit unserem Einkommenssteuerkonzept profitieren alle, die unter 7.000 Euro brutto verdienen – diejenigen mit mehr Einkommen, werden stärker belastet. Wir fordern aber auch noch weitere Verbesserungen für die große Mehrheit, zum Beispiel einen höheren Mindestlohn, einen Mietendeckel und die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel.

Olaf Scholz hingegen ist in diesen Punkten absolut unglaubwürdig. Die Erhöhung des Mindestlohns hat ihre Wirkung längst verloren, die Mietpreisbremse ist wirkungslos, und die Mehrwertsteuer hat er in der Gastronomie entgegen seiner Versprechen wieder angehoben. Seine Ankündigung, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu senken, wird ein weiteres gebrochenes Versprechen sein.

Zweitens sind unsere Entlastungsvorschläge solide gegenfinanziert, wie unabhängige Institute bestätigt haben. Das mag ungewohnt klingen, wenn wir als Linke von Gegenfinanzierung sprechen, schließlich setzen wir uns auch für die Abschaffung der Schuldenbremse ein, um dringend nötige Investitionen zu ermöglichen. Doch unser Ansatz ist klar: Die Entlastung der Menschen und das Ankurbeln der Wirtschaft dürfen nicht an der Schuldenbremse scheitern. Deshalb haben wir einen konkreten Plan, wie wir die Reichsten endlich zur Kasse bitten und gleichzeitig die Mehrheit der Menschen finanziell besserstellen.

Aber ganz so einfach geht es ja nicht. Die Milliardäre haben ja keine Milliardensummen auf dem Konto, sondern so viel sind ihre Firmenanteile wert.

Wie die Milliardäre ihre Steuerlast begleichen, ist mir ehrlich gesagt völlig egal. Wenn sie nicht genug liquide Mittel haben, können sie ihre Steuern auch direkt mit Firmenanteilen bezahlen. Natürlich werden sie alles daransetzen, ihre Privilegien zu verteidigen – und zwar auf Kosten der großen Mehrheit. Wahrscheinlicher ist daher, dass sie einen Kredit aufnehmen oder einfach einen kleinen Teil ihres gigantischen Vermögens verkaufen.

Und wer soll die Anteile dann kaufen?

Bei der Daseinsvorsorge, der Infrastruktur und marktbeherrschenden Unternehmen gehört die Verantwortung ganz klar in die Hand des Staates – und auch für andere Unternehmen in Industrie, Handwerk und Dienstleistungssektor ist das denkbar. Und auch genossenschaftliche Modelle könnten gezielt gefördert werden. Es kann ja nicht sein, dass ein Milliardär einfach durch den nächsten ersetzt wird. Die zahlreichen Privatisierungen haben deutlich gemacht, dass sie immer zulasten der Menschen gingen. Der Staat kann es besser – wenn man ihn dazu befähigt. Oft ist er sogar günstiger, denn im Gegensatz zu Konzernen wie der Vonovia muss er keine Milliarden an Dividenden erwirtschaften, sondern seine Aufgabe wäre es, schlicht und ergreifend Wohnungen bereitzustellen.

Heidi Reichinnek

Heidi Reichinnek ist Spitzenkandidatin der Linken für die Bundestagswahl 2025.

Lukas Scholle

Lukas Scholle ist Ökonom, Gründer und Chefredakteur von Surplus.