Die noch junge Regierungskoalition aus Union und SPD steckt schon wieder in der Krise. Nach dem öffentlichen Aufstand der Jungen Union und ihrer Bundestagsabgeordneten gegen Bundeskanzler Friedrich Merz droht das Rentenpaket aus Rentenniveauhaltelinie bei 48 Prozent, Mütterrente, Aktivrente und Frühstartrente bei einer Abstimmung im Bundestag durchzufallen: Der sogenannten Jungen Gruppe der Union gehören 18 Abgeordnete an, die Mehrheit der Koalition beträgt aber nur zwölf Mandate. Änderungen am Paket sind kaum möglich, da es sich um einen zuvor mühsam ausgehandelten Kompromiss handelt. So besteht die Union auf Mütterrente, Aktiv- und Frühstartrente, während die SPD auf die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent pocht. Die SPD kann hier kaum einknicken. Die Stabilisierung des Rentenniveaus steht im Koalitionsvertrag, sie ist wie das gesamte Paket im Kabinett beschlossen, und der Bundeskanzler hat sich öffentlich an die Seite der SPD und gegen die »Rentenrebellen« gestellt.
Nur ein Jahr nach dem Ampel-Aus steht erneut die Stabilität der Bundesregierung infrage. Aus konservativen Kreisen wird über Debatten über Alternativen der Union außerhalb der Regierungskoalition berichtet; das Ende der Brandmauer und eine Minderheitsregierung mit zumindest punktueller Kooperation mit der AfD werden in den Raum gestellt.
Der Rentenaufruf gießt in einer angespannten Situation Öl ins Feuer
In dieser politisch angespannten und fragilen Konstellation haben sich gestern massiv medial und politisch inszeniert 22 Ökonomen und Ökonominnen mit einem knappen offenen Brief zu Wort gemeldet und demonstrativ an die Seite der Jungen Gruppe gestellt: Weil es jetzt »verantwortungsvolles Handeln« brauche, solle das gesamte Rentenpaket gestoppt werden. Stattdessen solle die geplante Rentenkommission mit mehr Ruhe ein – offenbar völlig anderes – Rentenkonzept entwickeln. Man muss sich fragen, wie verantwortungsvoll es von Ökonomenseite ist, in dieser Form öffentlich Öl ins Feuer der politischen Debatte zu gießen und den Zwist innerhalb der Union und mit der SPD auf diese Weise massiv anzuheizen. Es muss doch klar sein, dass der Reformstreit das Ende der Regierung Merz einleiten könnte – und das in einer Phase der geopolitischen und wirtschaftlichen Instabilität sowie unabweisbarer Gefahren für die Demokratie in Deutschland.
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Anders formuliert braucht es wirklich gute Gründe, um in dieser Form politisch aktiv zu werden. Es müsste also darum gehen, irreparable ökonomische oder soziale Schäden abzuwenden. Der offene Brief warnt vor »einseitigen Entscheidungen«, »die bereits in wenigen Jahren zwangsläufig drastische Folgen hätten und einen erneuten Kurswechsel in der Rentenpolitik notwendig machten.« Dies sei »für das Vertrauen in die Politik fatal«. Es scheint also um die Kosten der Haltelinie für das Rentenniveau bei 48 Prozent und die Mütterrente zu gehen, die beide über den Bundeszuschuss an die Rentenversicherung aus dem Bundeshaushalt bezahlt werden sollen.
Die Kosten der Reform sind tragbar
Zusammen werden die Kosten ab dem Jahr 2027 langsam ansteigen, von zunächst 5 Milliarden Euro auf gut 15 Milliarden Euro und in 15 Jahren dann auf gut 18 Milliarden Euro pro Jahr. Das sind spürbare Haushaltsbelastungen in einer perspektivisch ohnehin angespannten finanzpolitischen Lage. Dennoch werden sie nur etwa 2,5 Prozent der geplanten Ausgaben im Bundeshaushalt ausmachen und gesamtwirtschaftlich sogar nur 0,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Offensichtlich ist das keine ökonomisch untragbare Last, zu deren Vermeidung die Ökonomen mit ihrem Aufruf eine politische Notbremsung mit unvorhersehbaren Folgen für die politische Stabilität der Bundesrepublik fordern könnten. Ein erneuter Koalitionsbruch innerhalb nur eines guten Jahres würde auch die wirtschaftspolitische Unsicherheit massiv erhöhen. Die ökonomischen Schäden könnten die Kosten des Rentenpaketes bei weitem übersteigen.
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