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Das Wirtschaftsmagazin

Studie zeigt: Mit Mindestlohn hat man deutlich mehr als mit Bürgergeld

Hartnäckig hält sich der Mythos, das Bürgergeld sei so hoch, dass sich Arbeit nicht lohnen würde. Eine neue Studie widerlegt das.

3 Minuten Lesedauer
Laut WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch widerlegt die Studie den Mythos von Arbeit, die sich nicht lohne. Credit: Bettina Kohlrausch

Wer Vollzeit arbeitet und den Mindestlohn erhält, hat einer neuen Studie zufolge deutlich mehr Geld als Menschen im Bürgergeld. Das gelte für Alleinstehende ebenso wie für Alleinerziehende und Paare mit Kindern, und zwar in allen Regionen Deutschlands, rechnet das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung vor. Je nach Haushaltsgröße, Region und Mietpreisen ergibt sich bei den Rechenbeispielen demnach ein Abstand von mindestens 380 und bis zu 750 Euro im Monat.

Mit der Studie widerspricht das WSI dem Mythos, das Bürgergeld sei so hoch, dass der Anreiz zu niedrig bezahlter Arbeit fehle. Die wissenschaftliche Direktorin des WSI, Bettina Kohlrausch, bezeichnete die Behauptung, die Betroffenen wollten »nicht erwerbstätig sein, weil sich mit dem Bürgergeld gut leben lasse« laut Pressemitteilung als »sachlich falsch und stigmatisierend«. Statt das Bürgergeld zu senken, müsse mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen und Menschen im Bürgergeldbezug müssten besser qualifiziert und gut betreut werden. Außerdem brauche es »in vielen Fällen Entlastung von sehr zeit- und kraftintensiver Sorgearbeit, wie der Pflege von Kranken und alten Angehörigen oder der Betreuung von Kindern«.

Drei Fallbeispiele

Gerechnet wurde in den drei Fallbeispielen mit dem heutigen Mindestlohn von 12,82 Euro die Stunde. Einbezogen wurde, dass Menschen mit so geringem Lohn gegebenenfalls zusätzlich Anspruch auf Sozialleistungen wie Wohngeld, Kindergeld oder Kinderzuschlag haben. Die Rechenbeispiele beziehen sich auf Arbeit in Vollzeit, was im Durchschnitt knapp 38,2 Stunden pro Woche bedeute.

So kommt ein alleinstehender Mann mit Mindestlohn den Berechnungen zufolge auf 2.121,58 Euro brutto im Monat. Davon bleiben nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben 1.546 Euro, wie das WSI vorrechnet. Zusammen mit dem rechnerischen Anspruch auf 26 Euro Wohngeld ergebe sich ein verfügbares Einkommen von 1.572 Euro. Dagegen stünden dem Mann im Bürgergeld 563 Euro Regelsatz und bei gleicher Miete 451,73 Euro für die Unterkunft zu. Zusammen wären dies 1.015 Euro – 557 Euro weniger als im Job mit Mindestlohn. Wird der Rundfunkbeitrag von 18,36 Euro einbezogen, bleibt den Berechnungen zufolge immer noch eine Differenz von über 500 Euro.

Fall zwei ist eine alleinerziehende Frau mit einem fünfjährigen Kind. Sie käme in Vollzeit mit Mindestlohn auf netto 1.636 Euro. Mit Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld und Unterhaltsvorschuss seien es 2.532 Euro. Beim Bürgergeld wären es laut WSI mit den beiden Regelsätzen für Mutter und Kind, dem Mehrbedarf für Alleinerziehende, Kosten der Unterkunft und Sofortzuschlag 1.783 Euro, also 749 Euro weniger.

Drittes Beispiel: Ein Ehepaar mit einem Verdiener mit Mindestlohn und zwei Kindern im Alter von fünf und 14 Jahren hätte im Bürgergeld 660 Euro weniger, haben die Experten kalkuliert.

Regional gebe es Unterschiede beim Lohnabstand, doch die beruhten auf der Höhe der Mietkosten. Im Landkreis München, in Dachau und in der Stadt München falle der Lohnabstand bei einem Single-Haushalt mit 379 bis 444 Euro am geringsten aus. In Nordhausen und dem Vogtlandkreis sei er mit 662 und 652 Euro am größten.

Studie bestätigt den Wissensstand

»Die Zahlen dieser Studie zeigen erneut, dass Bürgergeldempfängerinnen unabhängig vom Haushaltstyp und von der Region, in der sie wohnen, weniger Geld haben als Erwerbstätige, die zum Mindestlohn arbeiten«, betonte Kohlrausch. Zudem werde deutlich, mit wie wenig Menschen im Bürgergeld auskommen müssten.

Die WSI-Studie bestätigt Ergebnisse anderer Untersuchungen. 2023 sagte auch der Chef des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, trotz der damaligen Bürgergeld-Erhöhung bleibe das Lohnabstandsgebot gewahrt. Kritisch wertete Hüther damals, dass sich oft Mehrarbeit im Niedriglohnsektor nicht lohne.


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