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Das Wirtschaftsmagazin

Truger zum Jahresbericht: Wir brauchen Steuererhöhungen für Vermögende

Das Jahresgutachten der »Wirtschaftsweisen« fordert eine gerechte Reform der Erbschaftsteuer. Doch es wird weitere Steuererhöhungen brauchen, erklärt Achim Truger.

4 Minuten Lesedauer

Collage: Surplus, Material: IMAGO / snapshot

Es hat sich viel getan in den vergangenen Jahren beim Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) – oder den »Wirtschaftsweisen«, wie wir in Medien und Öffentlichkeit auch häufig genannt werden. Zu unseren gesetzlich verankerten Aufgaben gehört die regelmäßige Analyse der Einkommens- und Vermögensverteilung, weshalb wir ungefähr alle zwei Jahre ein Verteilungskapitel veröffentlichen.

In der Vergangenheit mühte sich die Ratsmehrheit häufig, den unleugbaren kräftigen Anstieg der Einkommensungleichheit von Mitte der 1990er Jahre bis etwa 2005 unter den Teppich zu kehren. Aus diesem Grund musste mein Vorgänger im Rat bis 2019, Peter Bofinger, entsprechende Minderheitsvoten schreiben. Im Wirtschaftsdienst, einer führenden deutschsprachigen Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, musste sich die damalige Ratsmehrheit im März 2015 teils heftiger Kritik an ihrer Arbeitsweise stellen.

Von Gebhard Kirchgässner, ausgerechnet dem – mittlerweile leider verstorbenen – Doktorvater von Lars Feld, einem der damaligen Ratsmitglieder und späteren Vorsitzenden, wurde beispielsweise die Behandlung des Ungleichheitsthemas im SVR-Gutachten 2014, in Teilen als »bedenklich« bezeichnet. Und 2019, in meinem ersten Jahr im SVR, musste ich noch ein Minderheitsvotum schreiben, weil die Ratsmehrheit erneut versuchte, den Anstieg der Einkommensungleichheit in Deutschland bis zum Jahr 2005 sowie eine der Ursachen, die rot-grüne Steuersenkungspolitik insbesondere für hohe Einkommen zu vertuschen.


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Ungleichheit und Soziales in den vergangenen Gutachten

Diese Zeiten sind längst vorbei. In den Verteilungskapiteln der Jahre 2021 und 2023 hat der Rat in neuer Zusammensetzung die Verteilungsentwicklung möglichst neutral beschrieben. Im Jahr 2021 wurde die schulische Benachteiligung von Kindern aus bildungsfernen Schichten während der Corona-Krise thematisiert und für Reformen plädiert, die die grundsätzliche Benachteiligung im deutschen Bildungssystem angehen. Im Jahr 2023 wurde auf deutliche Weise das Problem der zunehmenden Armutsrisikoquote in den Mittelpunkt gestellt. Neben einer Verbesserung der Arbeitsanreize im Niedriglohnbereich, die übrigens ganz ohne Forderungen nach Kürzungen und Zwang auskam, wurden auch progressive Vorschläge wie eine Reform des Ehegattensplittings sowie ein Ausbau der Kinderbetreuung unterbreitet. 

An diese jüngere Tradition knüpft auch das Verteilungskapitel im aktuellen Jahresgutachten 2025 an. Diesmal wird erstmals seit längerer Zeit die Vermögensverteilung analysiert. Dabei werden einige bereits bekannte Ergebnisse bestätigt: Die Vermögensungleichheit in Deutschland ist hoch. Sie hat seit der Deutschen Einheit zugenommen und ist seit den 2010er-Jahren in etwa konstant. Die Ungleichheit ist krass: Während die untere Hälfte der Bevölkerung nur über 2 Prozent der Nettovermögen verfügt, verfügen die obersten 10 Prozent der Verteilung über etwa 60 Prozent des Nettovermögens. Diese Ungleichheit ist auch im Euroraum-Vergleich ungewöhnlich hoch. Nur in Österreich liegt sie noch etwas höher. Die Vermögensungleichheit ist insbesondere am unteren und oberen Rand hartnäckig, das heißt,   wer wenig hat, bleibt arm – und wer reich ist, bleibt es auch. Am oberen Rand spielen insbesondere Erbschaften und Schenkungen eine wesentliche Rolle für die anhaltende Vermögensungleichheit. Der Anteil der Vermögen, der allein auf Erbschaften und Schenkungen zurückgeht, wird für Deutschland auf 30 Prozent bis 50 Prozent geschätzt.  

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Achim Truger

Achim Truger ist Wirtschaftsprofessor an der Universität Duisburg-Essen, »Wirtschaftsweiser« und schreibt die Kolumne »Eine Frage des Geldes« bei Surplus.

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