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Das Wirtschaftsmagazin

Trump und der Triumph der Technolords

Lange dominierte der Neoliberalismus als System und Ideologie. Ein neuer »Techlordismus« hat ihn abgelöst.

4 Minuten Lesedauer
Yanis Varoufakis. Credit: IMAGO/Nicolas Koutsokostas

Als sich vor 50 Jahren der Neoliberalismus durchsetzte, war er weder neu noch besonders liberal. Sein großer Vorteil bestand darin, dass er sich deutlich vom klassischen Liberalismus absetzte. Auch wenn er liberalen Denkern Tribut zollte, teilte der Neoliberalismus weder deren Methode noch deren Marktkonzept. Heute stehen wir an der Schwelle zu einer anderen, ebenso tiefgreifenden ideologischen Innovation.

Anders als Adam Smith oder John Stuart Mill sahen sich die Neoliberalen nicht in der Pflicht, theoretisch oder empirisch nachzuweisen, unter welchen Umständen der ungezügelte Markt privates Gewinnstreben in kollektiven Wohlstand umwandeln kann. Die unsichtbare Hand war göttlich, unfehlbar. Selbst wenn der Markt versage, so wurde behauptet, sei jeder Versuch, ihn durch eine kollektive Instanz zu korrigieren, zu einem noch schrecklicheren Scheitern verurteilt. Diese Haltung kam der Wall Street gerade recht.

In den 1970er Jahren gierte man förmlich nach einem derart in doktrinäre Lehre gegossenem Desinteresse gegenüber tatsächlichen Belegen zu den Folgen einer vollständigen Deregulierung der Finanzmärkte. Nachdem Amerika zu einem Defizitland geworden war und Präsident Richard Nixon 1971 mit der Abkopplung des Dollars von Gold einen Schock ausgelöst hatte, zogen es die nachkommenden US-Regierungen vor, die globale Hegemonie der USA auszubauen, indem sie die Haushalts- und Handelsdefizite des Landes erhöhten – statt sie zu verringern.

Erwartungsgemäß wurde den Wall-Street-Banken die entscheidende Aufgabe des Recyclings (in US-Staatsanleihen, Aktien und Immobilien) jener Dollars zugewiesen, die ausländische Exporteure aufgrund der durch das Defizit angeheizten Nachfrage Amerikas nach ihren Waren einstrichen. Aber um dies zu tun – um zum Dreh- und Angelpunkt dieses unverfrorenen globalen Überschuss-Recycling-Systems zu werden – mussten die Banker von regulatorischen Beschränkungen befreit werden. Das hieß, der Gesetzgeber und eine Öffentlichkeit, der seit 1929 beigebracht wurde, eine außer Kontrolle geratene Wall Street zu fürchten, mussten umerzogen werden. Die fundamentalistische Orthodoxie des Neoliberalismus, die die Unantastbarkeit der deregulierten Märkte verherrlichte und sich im wachsenden Einfluss der »Law and Economics«-Bewegung manifestierte, erfüllte diese Anforderung auf perfekte Weise.

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Yanis Varoufakis

Yanis Varoufakis ist ehemaliger griechischer Finanzminister, Vorsitzender der Partei MeRA25 und Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Athen.