Längst ist es salonfähig geworden, das Bürgergeld nur noch für »Deutsche« zu fordern – und im selben Atemzug seine Abschaffung für Ausländer gleich mitzuverlangen. Die AfD schleudert diese grundgesetzwidrigen Forderungen völlig unverhohlen raus. Die CDU geht immerhin ein bisschen subtiler vor, schlägt aber in dieselbe Kerbe: Ukrainische Kriegsflüchtlinge sollen künftig keinen Zugang mehr zum Bürgergeld erhalten, sondern wie alle anderen Geflüchteten auch ein demütigendes Asylverfahren durchmachen müssen, das forderte zuletzt Markus Söder. Das wäre ein klarer Rückbau von echter Solidarität mit nationalistischer Stoßrichtung.
Eine aktuelle Anfrage der AfD im Bundestag hat wenig überraschend zutage gefördert, dass der Bürgergeldetat im letzten Jahr angestiegen ist. Das war keine Neuigkeit und auch kein Wunder. Aber Medien stürzen sich nur zu gern auf diesen längst durchgekauten Knochen und bieten der anhaltenden Bürgergeldhetze einmal mehr eine Bühne. Konkret: Die Ausgaben lagen 2024 bei rund 46,9 Milliarden Euro – ein Plus von vier Milliarden gegenüber dem Vorjahr. Eingeordnet wird diese Zahl mit der Ausdifferenzierung, welche Gruppe mit welchem Pass wie viel Geld erhalten hat. Diese Aufschlüsselung wird in diesem Text bewusst nicht wiederholt. Denn es spielt schlicht keine Rolle, welche Herkunft jemand hat, der auf Bürgergeld angewiesen ist. Das Bürgergeld ist keine Medaille fürs Deutschsein. Punkt.
Die AfD hält ein Stöckchen hin, die CDU springt
Der AfD-Abgeordnete René Springer behauptet, die Ausgaben für das Bürgergeld würden weiterhin »unkontrolliert« steigen und macht indirekt »die Ausländer« dafür verantwortlich. Eine Behauptung, die sich leicht widerlegen lässt: Die Ausgaben in diesem Jahr werden in etwa auf dem Vorjahresniveau bleiben und lassen sich simpel begründen. Der Regelsatz wurde Anfang 2024 inflationsbedingt angepasst. Diese Korrektur hat gerade einmal dafür gesorgt, dass Bürgergeldbeziehende genauso wenig Kaufkraft haben wie zu Zeiten von Hartz IV. Mehr nicht. Beschämenderweise wurde eine erneute Anpassung Anfang 2025 ausgelassen, auch für 2026 ist eine Nullrunde vorgesehen. Damit wird dieser Ausgabenposten gleich bleiben.
Was aber ebenso zum Anstieg der Bürgergeld-Gesamtkosten beigetragen haben dürfte, ist der nur minimale und viel zu geringe Anstieg des Mindestlohns. In 2024 stieg er um 41 Cent auf 12,41 Euro, in 2025 ebenfalls nur um 41 Cent, auf 12,82 Euro. Infolgedessen ist im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit Einführung des Mindestlohns 2015 die Zahl der Aufstockerinnen und Aufstocker angestiegen. Das sind Menschen, die teilweise trotz Vollzeit Bürgergeld beziehen müssen, weil das Einkommen nicht zum Leben reicht.
Trotzdem wiederholen AfD, CDU und auch Teile der SPD mantramäßig, dass »Arbeitsverweigerern« das Bürgergeld gekürzt werden müsse und »bandenmäßiger Betrug« nicht weiter toleriert werden dürfe. Was nach hartem Durchgreifen klingt, ist ein Frontalangriff auf die Würde von Menschen in Bürgergeld. Die Zahlen liegen klar auf dem Tisch: Bei den sogenannten »Arbeitsverweigerern« reden wir von gerade einmal circa 16.000 Menschen – in aller Regel, weil sie ein einziges Mal ein Jobangebot abgelehnt haben. Und der angeblich flächendeckende »bandenmäßige Betrug«? Lächerliche 420 Fälle im vergangenen Jahr. Davon wurden nur etwa 200 überhaupt zur Anzeige gebracht und die anderen wegen Nichtigkeit fallen gelassen. Wie viele dann tatsächlich zu einer Verurteilung geführt haben, ist völlig offen. Das sind keine strukturellen Probleme – das sind Randphänomene. Oder aber auch: »Whataboutism« in Reinform.
Desinformation und Stimmungsmache gegen Schwache
Es wäre schon schlimm genug, wenn man sich über diese Einzelfälle nur die Mäuler zerreißen würde. Doch fast in der gesamten politischen und medialen Debatte wird ernsthaft so getan, als könnten durch deren Bekämpfung oder Ausmerzung Milliarden eingespart werden. Das ist nicht nur grob verzerrt – das ist gezielte Desinformation.
Jüngst forderte etwa Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), das Bürgergeld müsse »für die eigenen Leute, für die Deutschen, wie auch für die, die zu uns gekommen sind« reformiert werden. Schon diese Formulierung zeigt deutlich, wohin die Reise gehen soll. Die Unionsparteien – und erst recht die AfD – möchten das Bürgergeld künftig tatsächlich als Medaille fürs Deutschsein verkaufen. Vielleicht sogar als Orden für Lebensleistung oder langjährige Beitragszahlungen. Dabei ist das Bürgergeld keine Trophäe und es ist schon gar keine Belohnung für Beitragszahlungen. Es ist das letzte Auffangnetz eines Sozialstaats, der den Anspruch hat, niemanden verhungern zu lassen.
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