Am Nikolausabend war es wieder so weit: Die Bild-Zeitung lud ein zur jährlichen Gala »Ein Herz für Kinder«. Prominente Gäste, Spitzenvertreter der Politik, emotionale Geschichten und ein Spendenstand, der für wunderbare Schlagzeilen sorgte, ließen für einen Abend das Land vergessen, in welche Richtung es sich sozialpolitisch bewegt. Einige der teilnehmenden Politiker, Medienvertreter und Tech-Oligarchen, die ansonsten 364 Tage im Jahr damit beschäftigt sind, gegen das Bürgergeld zu hetzen, weichen an diesem einen Abend vor Weihnachten von ihrer gewohnten Praxis ab und begeben sich in ein seelisches Wellnessprogramm – möglicherweise auch, um mit sich selbst etwas besser leben zu können.
In diesem Jahr kamen 26,16 Millionen Euro zusammen – ein Beleg für die enorme mediale Zugkraft des Formats. Zweifellos bleiben von diesem Abend die positiven Bilder im Bewusstsein der Öffentlichkeit hängen. Am Folgetag kann man sich wieder daransetzen, den Sozialstaat zu zerlegen (ob über die journalistische Arbeit bei Springer oder im Bundestag in der Gesetzgebung).
Symbolische Großzügigkeit bei gleichzeitigem Druck auf das Sicherungsniveau
Während die Gala öffentlichkeitswirksam Empathie inszeniert, sorgen Politik und Medien dafür, dass die materielle Realität für viele Kinder härter wird. Ein wesentlicher Grund dafür sind die realen Kürzungen des Bürgergeldes. Unter den 5,4 Millionen Bürgergeldbeziehenden in Deutschland sind nämlich rund 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche, also etwa ein Drittel aller Leistungsberechtigten. Diese Zahl veröffentlichte die Bundesagentur für Arbeit etwa einen Monat vor der Spendengala im November 2025. 1,3 Millionen weitere Kinder müssen darüber hinaus mit dem Kinderzuschlag unterstützt werden, weil die Eltern trotz Arbeit nicht ausreichend verdienen, um die Grundsicherung zu gewährleisten.
Wenn nun der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann oder der libertäre Tech-Multimillionär Frank Thelen sich bei einem Event der Bild-Zeitung, dem führenden Hetzblatt gegen das Bürgergeld, an die Telefone setzen, um Spenden für Kinder zu sammeln, aber zugleich – jeder auf seine Weise (der eine über die Politik, der andere über mediale Öffentlichkeitsarbeit) – mit daran arbeiten, dass Kindern die Grundsicherung gekürzt wird, ist es an Absurdität nicht mehr zu überbieten.
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