Eine aktuelle Studie des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zeigt , welche verteilungspolitischen Auswirkungen die Wahlprogramme der Parteien haben – und enthüllt überraschende Ergebnisse. Von den detaillierten Umverteilungsplänen der Linken bis zu den steuerlichen Entlastungen der AfD und den Kontroversen um das Bürgergeld der FDP: Die Unterschiede könnten kaum größer sein. Welche Parteien setzen auf klare Zahlen, und wer überrascht mit unerwarteten Konzepten? Im Interview mit Surplus erklären die Studienautoren Prof. Holger Stichnoth und Michael Hebsaker die Studienergebnisse.
In Ihrer Studie untersuchen Sie die verteilungspolitischen Auswirkungen, die sich aus den Wahlprogrammen der Parteien ergeben. Gibt es Ergebnisse in Ihrer Studie, die Sie überrascht haben?
Holger Stichnoth: So ganz überraschend ist das natürlich nicht, man weiß ja ungefähr, wo die Parteien wirtschaftspolitisch stehen. Aber die Größenordnungen sind spannend. Es scheint manchmal so, als wüssten die Parteien selbst nicht immer genau, in welchen Größenordnungen sich ihre Pläne bewegen. Nur die Linke hat das ziemlich detailliert in ihrem Wahlprogramm durchgerechnet. Bei anderen Parteien bleiben die Zahlen oft vage. Ob es dann zum Beispiel 20 oder 40 Milliarden sind, die für die Vorhaben ausgegeben werden sollen, zeigt sich erst durch unsere Berechnungen.
Auch überraschend sind die Verteilungswirkungen der AfD-Vorhaben. Die meisten Wählerinnen und Wähler und auch viele Mitglieder der AfD wissen vermutlich gar nicht, was da steuerpolitisch im Programm steht. Angesichts der Bewegung für einen »solidarischen Patriotismus« hätte ich gedacht, dass die Partei sich sozialpolitisch weiter nach links bewegt. Aber das ist jetzt eigentlich gar nicht der Fall.
Woran sieht man das?
Michael Hebsaker: Die starke Anhebung des Grundfreibetrags bei der AfD entlastet nicht nur untere und mittlere Einkommen, sondern auch höhere Einkommen. Da sie höhere Steuersätze zahlen, ist für sie auch die Entlastung größer. Auch vom Abschaffen des Solidaritätszuschlags profitieren hohe Einkommen am stärksten.
HS: Die AfD schlägt außerdem ein extremes Familiensplitting vor. Sie wollen ab dem ersten Kind einen Faktor 1,0 einführen, die Kinder also beim Splitting komplett steuerlich berücksichtigen. In Frankreich ist der Faktor für die ersten beiden Kinder nur halb so groß. Zusätzlich gibt es keine Deckelung nach oben. Das bedeutet, die Entlastung steigt mit steigendem Einkommen immer weiter an. Allerdings haben wir bei allen Parteien nur die Wirkungen auf die verfügbaren Einkommen berechnet. Pläne zur Kaufkraft sind nicht berücksichtigt. Bei der AfD sind das die Abschaffung der CO2-Bepreisung und ein niedriger Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie und beim Kinderbedarf.
Viel wurde auch um die Umverteilungspläne des BSW spekuliert. Wie sieht das Programm aus?
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